Mittwoch, 27. August 2014

Alpenbrevet 2014: Große Berge, große Leistung.

Muh-uh, vielstimmig – am frühen Morgen in große braune Augen zu blicken, kann bestimmt aufregend und schön sein. Ist man bei einem Rennradrennen und die Augen gehören einer Schweizer Milchkuh, ist es das definitiv nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn die Kuh mitsamt Anhang und Großfamilie plötzlich mitten auf der Strecke steht, während die schnelle Gruppe in der nächsten Kehre der Abfahrt verschwindet. Nur eine Sekunde vorher war die Lücke noch da, jetzt ist die Straße dicht. Was die Kühe denken weiß ich nicht, ich denke: Scheiße. Riechen kann ich sie übrigens auch, denn leider haben die Viecher heute Morgen wohl auf die Morgentoilette verzichtet. Aber ganz so frisch wie beim Start des diesjährigen Alpenbrevets in Meiringen dufte ich sicher auch nicht mehr. Hinter mir liegen schon Grimselpass und Nufenen, das Tempo war zügig und trotz der ziemlich herbstlichen Temperaturen tropfen mir schon kurz nach dem Start die ersten Schweißperlen von der Stirn. Was auch an meinem Mitfahrer Thomas liegt, denn auch er ist nicht gewillt, nur eine Sekunde zu verschenken und gegenseitig treiben wir uns immer wieder an. Aber obwohl wir beide Passhöhen ganz weit vorne erreichen – richtig zufrieden bin ich nicht. Die Anstiege machen mich wahnsinnig. Mal flach, mal steil, ich finde einfach keinen vernünftigen Rhythmus. Dazu bewege ich mich schon am Nufenen hauptsächlich im Grundlagenbereich, denn härteres Treten quittiert mein Knie mit ersten Schmerzen - immer noch die Nachwirkungen des harten Sturzes bei der Bike 4 Peaks. Laut denke ich darüber nach, die Platinrunde sausen zu lassen und auf Gold abzubiegen. Thomas will auf alle Fälle durchziehen und versucht mich zum Durchfahren zu motivieren, doch mit den Schmerzen wächst auch meine Unsicherheit. Platin hieße: weitere drei Pässe, mehr als 200 Kilometer. Ich bin hin- und hergerissen, vermeide eine definitive Entscheidung, bis Airolo zur Streckenteilung ist es nicht mehr weit und dann muss sie sowieso fallen. Thomas allerdings ist sich meiner Entscheidung sicherer als ich – und zieht jetzt mit der Gruppe auf und davon. Als auch ich mich endlich durch die Rindviecher gewühlt habe, ist der Abstand zu groß – trotz High-Speed und Trittfrequenz 130 habe ich alleine keine Chance, sie einzuholen. Auch der kurze Stopp, um zwei weitere Fahrer mit dem Ziel aufschließen zu lassen, den Abstand mit gemeinsamer Arbeit doch noch zu verkürzen, entpuppt sich als Rohrkrepierer. Die beiden machen nix, hängen nur hinter mir und lassen mich schuften. Super. Dann Airolo, an der Verpflegung gähnende Leere, die Gruppe ist durch, Thomas ist dabei geblieben, ich bin alleine. Goldrunde? Oder doch Platin? Links ab zum Gotthardt oder rechts weiter ins Tessin. Vernünftig oder bescheuert? Dreimal umkurve ich den Kreisel, dann entscheide ich mich und biege ab. Nach rechts. Platin. Bescheuert. Wie immer. Aber das Wetter ist prima, ich liege gut in der Zeit und glaube fest daran, die Knieschmerzen im Zaum halten zu können. Sicherheitshalber nehme ich weiter Tempo raus und hoffe, auf dem weiten Weg zum Lukmanier irgendwann von einer gut rollenden Gruppe eingeholt zu werden. Leider ein klarer Fall von Denkste. Obwohl ich es echt gemütlich angehen lasse, kommt von hinten niemand. Alleine rolle ich durch Faido, durch Giornico und Biasca. Ewig geht es mehr oder weniger bergab, ich beginne mich zu langweilen und freue mich, dass jetzt endlich der nächste Pass ansteht. Auf zum Lukmanier! Doch die Freude verwandelt sich schnell in Ernüchterung. 40 Kilometer flach bergauf, kaum eine Kurve sorgt für Abwechslung, Hölle. Ich versuche mich abzulenken, genieße die Landschaft und die Sonne, dann – endlich – höre ich hinter mir das Schnaufen einiger Mitkonkurrenten. Zwei Norweger stampfen vorbei, ich hänge mich dran. Die Jungs allerdings sind schnell, Grundlage ist das nicht mehr. Jetzt schwitze ich richtig und auch die Knieschmerzen kommen mit voller Wucht zurück. Rausnehmen will ich dennoch nicht, keinen Bock wieder alleine unterwegs zu sein. Also bleibe ich dran, übernehme regelmäßig die Führung und ignoriere das Pochen unter der Kniescheibe so gut es geht. Noch 13 Kilometer bis zur Passhöhe, noch zehn, noch fünf. Dann ist Schluss. Ich muss rausnehmen und die beiden ziehen lassen. Im Schneckentempo kurble ich die restlichen Kilometer zum Pass, dann kann ich endlich die Beine hochnehmen. Erst mal Pause. Die Verpflegung bietet auch hier alles, was man braucht: Lebkuchen, Brühe, Gels, Riegel, Cola, Wasser, Iso – ich futtere mich einmal durchs komplette Angebot. Nach und nach trudeln weitere Fahrer ein und als sich eine größere Gruppe zur Weiterfahrt entschließt, hänge ich mich dran. Das Knie zickt immer noch, aber die Pause hat gut getan, die Schmerzen sind erträglich und jetzt kann ich es locker rollen lassen bis Disentis. Weitere Erholung also – wäre da nicht der verdammte Wind, der uns mittlerweile eiskalt entgegenbläst. Bergab bremst er uns aus, den Anstieg zum Oberalppass macht er extra zäh. Dazu meldet sich auch schon in Sedrun mein Knie wieder, heftiger als vorher. Ich muss die Gruppe wieder ziehen lassen und denke daran, auszusteigen. Besenwagen hat es schließlich genug, regelmäßig werde ich von vollbesetzten Bussen passiert – es gibt viele Fahrer, die sich offensichtlich schon hier übernommen haben. Andererseits – ich bin verdammt weit gefahren und im Prinzip muss ich nur noch drei Mal den Feldberg hoch, dass muss doch gehen irgendwie. Ich schalte noch einen Gang zurück. 170 Watt, gerade noch so GA1. Mittlerweile werde ich regelmäßig überholt, ist mir aber ausnahmsweise komplett egal. Es geht nur noch ums Ankommen. Nur dem Typen im Schweizer Meistertrikot würde ich am liebsten einen Stock zwischen die Speichen schieben – er überholt mich, kurz später parkt er am Auto seiner Betreuer, ich fahre vorbei und das Spielchen geht von vorne los. Der Typ nervt. So sehr, dass ich doch noch mal beschleunige, um mal länger als fünf Minuten Ruhe zu haben. Es gelingt, bis zur Passhöhe sehe ich ihn nicht mehr. Oben zieht es richtig, es ist ziemlich kalt, dennoch braucht mein Knie eine längere Pause. Ich verkrümele mich in eine windgeschützte Ecke und warte, bis das Dauerpochen langsam nachlässt. Abfahrt. Trotz heftigem Gegenwind bin ich ratzfatz in Andermatt, keine Kuhherde verstopft die Straße, dafür eine Horde japanischer Touristen, dann stehe ich auch schon an der Baustellenampel, die den Beginn der Neutralisation signalisiert. Blick nach links Richtung Sustenpass – dunkle Wolken türmen sich am Himmel, die Gipfel der Berge sind nicht zu sehen. Das sieht gar nicht mehr nach Sommer aus, gut, dass Beinlinge, Armlinge und die Regenjacke im Trikot stecken. Umziehen und weiter. Wir schlängeln uns an den langen Autokolonnen vorbei, erreichen Wassen und biegen links ab. Sustenpass. Das Ding kenne ich und habe es in schlechter Erinnerung. Ebenfalls ewig lang, flach ansteigend und weit einsehbar – nix für mich. Besser also schnell durch. Ich trete, was das Knie hergibt, passiere die Tvaellen-Gedächnis-Cola-Hütte, dann beginnen endlich die letzten Kehren rauf zur Passhöhe. Ich tauche in den Tunnel ein und sehe – nix. Nebel wabert durch die Röhre, trotz meiner Lupine Piko mit wirklich sehr vielen Lumen an Bord bleibt es duster. Dazu schüttet es jetzt richtig und eiskalt ist es außerdem. Schnelle Verpflegung, Auskühlen wäre tödlich, und ab in die letzte Abfahrt. Bei Null Sicht und dichtem Regen kein wirklicher Spaß, aber ich lasse die Bremse offen, wo immer es geht. Bloß schnell raus aus der Kälte – das Fiasko vom Grand Raid exakt vor einem Jahr ist mir noch in guter Erinnerung. Andere erleben es dafür gerade jetzt: überall neben der Straße kauern ausgekühlte Fahrer oder versuchen sich mit merkwürdigen Verrenkungen wieder aufzuwärmen, kein Spaß. Auch mir kriecht die Kälte in jede Ritze, aber ich kann fahren und mit jedem Meter, den ich dem Tal näher komme, wird es wärmer.Gadmen, schnell durchs Gadmertal, letzter kurzer Gegenanstieg, der Regen lässt nach, Meiringen, ab ins Ziel. Coole Stimmung hier, viel Jubel, auch Thomas ist da. Glückwünsche nach rechts und links, dann schnell zurück zum Campingplatz. Warme Dusche. Verdient – nach knapp 280 Kilo- und 7000 Höhenmetern.



Epilog: Auch Joachim und Rainer, die morgens gemeinsam mit uns auf die Strecke gegangen sind, haben sich ihren Traum verwirklicht. Joachim ebenfalls auf der Platinrunde, Rainer, mein Team-Partner vom 24-Stunden-Rennen in Offenburg auf der Goldstrecke.Was auch für mich die klügere Entscheidung gewesen wäre, denn auch nach mittlerweile drei Tagen Pause ist mein Knie noch geschwollen. Egal, Glückwunsch Jungs.


(Fotos von der offiziellen Website http://www.alpenbrevet.ch/)

Montag, 18. August 2014

Der Schwarzwald: Als Bike-Revier untauglich.

Der Schwarzwald - landschaftlich sicher einer der reizvollsten Gegenden Deutschlands für Biker. Leider nützt uns das nichts, denn nach wie vor beharrt die Landesregierung auf einer der unnötigsten Regelungen im Deutschen Paragrafendschungel - der Zwei-Meter-Regel. Heißt konkret: Alles was Bikern Spaß macht, ist weitestgehend verboten. Es gibt für einzelne Trails Ausnahmegenehmigungen, aber die sind kaum der Rede und erst Recht keinen Urlaub wert. Doch damit nicht genug - auch der Schwarzwälder an sich erweist sich eher verbohrt und rücksichtslos gegenüber Bikern. Blockiert wird, wo immer es möglich ist. Selbst erfolgreiche und international bekannte Veranstaltungen wie der UltraBike in Kirchzarten fielen der Lobbyarbeit aus angeblichen Naturschützern, Wanderern und Jagdpächtern zum Opfer. Und wo der Veranstalter nicht von selbst aufgibt, wird eben illegal nachgeholfen. Jüngstes Beispiel: der Rennabruch auf der vierten Etappe der Vaude Trans Schwarzwald. Grund: die Streckenbeschilderung wurde entfernt, an ein faires Rennen war so nicht mehr zu denken.

Mein Fazit aus Bikersicht: Schwarzwald - Nein Danke!

Mittwoch, 13. August 2014

Mit Verspätung: Zweiter Versuch Alpenbrevet.

Sommerloch. Wie schon 2103 ging renntechnisch in den letzten Wochen nichts. Verletzungen, Krankheiten, Job - irgendwas bremst mich regelmäßig aus, sobald die Hochsaison vor der Tür steht. Zugegebeb: Dazu kam auch ein deutliches mentales Loch nach den Höhepunkten Bike4Peaks und dem 24-Stunden-Rennen in Offenburg – sonst hätte ich mich vielleicht doch zu dem ein oder anderen Rennen durchringen können. Aber so einfach aus der Saison verschwinden? Geht auch nicht. Da passt es prima, dass ein paar Freunde zum Alpenbrevet gemeldet haben. Erstens ein großes Ding, dass auch wieder Motivation bringt, zweitens habe ich da noch eine Rechnung offen, nachdem 2012 der Start wegen Schnee abgesagt wurde. Zum Glück gab es noch ein paar Startplätze und so stand meiner Anmeldung nichts mehr im Weg. Kurz denke ich an mein Fazit aus dem Grand Raid 2013...
"Ein Rennen mit über 5000 Höhenmetern auf 120 Kilometern? Nach einer Saison ohne echtes Training, vielen Verletzungen und Pausen? Total bescheuert."
... schlage aber die kurz aufkeimenden Bedenken Sekundenbruchteile später trotz der doch sehr ähnlichen Voraussetzungen schon wieder in den Wind. Ignoremodus on – auch wenn das bei 278 Kilometern und über 7000 Höhenmetern nicht ganz so leicht wie sonst fällt. Ob es gut gehen wird? In ein paar Tagen weiß ich mehr ...