Donnerstag, 29. August 2013

Grand Raid 2013: Grand Desaster.

Steige ich jetzt in den verdammten Hubschrauber oder schaffe ich es doch noch irgendwie runter ins Ziel? Ich bin nicht der einzige, der sich die Frage stellt, um mich herum stehen knapp 100 andere Teilnehmer des Grand Raid 2013 und klappern mit den Zähnen. Immerhin: wir stehen nicht draußen im strömenden Regen, sondern im beheizten Sanitätszelt. Das Problem: es steht nicht irgendwo im lauschigen Tal. Es steht oben am Pas de Lona, 2787 Meter über NN. Ich stehe seit über einer Stunde hier oben, zwei Mal habe ich versucht abzufahren, zwei Mal musste ich aufgeben. Zu nass. Zu kalt. Vor allem zu kalt. Zum wiederholten Mal frage ich mich, was ich eigentlich hier mache. Ok, dumme Frage – ich fahre ein MTB-Rennen. Aber musste es ausgerechnet das sein? Eins mit über 5000 Höhenmetern auf 120 Kilometern? Nach einer Saison ohne echtes Training, vielen Verletzungen und Pausen? Total bescheuert. Die Quittung bekomme ich jetzt. Nach über 100 brutalen Kilometern auf der geilsten Strecke, die ich jemals gefahren bin. Startschuss morgens um 06.30 In Verbier bei perfektem Bikewetter. Angenehme Temperaturen, die Sonne blitzt schon zwischen den Wolken durch. Obwohl ich relativ verhalten starte, sind die ersten Höhenmeter aus dem Startort raus schnell absolviert. Was folgt ist Mountainbiken pur: harte Anstiege, knifflige Trails, grandiose Landschaft. Fast jeder Meter der Strecke ist fordernd, ausruhen kann man sich so gut wie nirgends. Super. Nicht ganz so super – die Reifenwahl. Schon bei den ersten Abfahrten merke ich, dass der schon reichlich angefahrene RaceKing hier deutlich überfordert ist. Mehr Grip wäre wünschenswert – besonders in den Schotterkehren und den teils mörderisch steilen Abfahrten über grasbewachsene Skihänge komme ich mehr als einmal böse ins Schlingern. Nach 58 Kilometern schlage ich in Heremence ein, kurve ums Eck, Swantje. Juhuu. Ich halte kurz, wechsle die Flasche, weiter. Von der angekündigten Kaltfront samt Gewitter und Starkregen ist noch nix zu sehen, es ist sauwarm, der Schweiß rinnt in Strömen. Es geht jetzt rauf zum Mandelon und so ganz langsam merke ich, dass meine Kräfte schwinden. Ich erreiche die Hochebene und es beginnt ein ewig langer Trail. Anspruchsvoll zu fahren, dauernd muss man vom Rad, laufen, aufspringen, abspringen, fahren, laufen. Abspringen, aufspringen ... Endlich geht der Trail in eine Schotterabfahrt über, ich kann mich etwas erholen. Aber mittlerweile weiß ich: mein Training war super. Für 60 Kilometer. Ich bin bei Evolene. Kilometer 80. Alles was jetzt kommt, wird für mich eine üble Schinderei. Erst recht, weil ich mittlerweile die dunklen Wolken, die langsam von Westen aufziehen nur zu deutlich sehen kann. Rasch weiter nach Eison. Im Höhenprofil easy, in Wahrheit wieder harte Trails, wurzeldurchsetzt, teilweise verblockt. Gut, dass es noch trocken ist, im Nassen mit meinen Reifen möchte ich hier nicht runtereiern. In Eison halte ich kurz, drücke mir kurz ein weiteres Gel rein und mache mich auf den weiten Weg nach L’a Vielle. Ums letzte Zeitlimit muss ich mir keine Sorgen machen, auch wenn ich längst am Ende meiner Kräfte bin. Puls? Kommt nur noch knapp über 140, Ok, genau genommen bin ich im Arsch. Aber jetzt aufgeben? Natürlich nicht. Weiter. Im Schritt-Tempo kämpfe ich mich die eigentlich einfach zu fahrende Schotterstrecke rauf, erste Donnerschläge hallen durchs Tal, dann zucken Blitze, es fängt an zu nieseln und wird merklich kühler. Dann geht es schnell: Aus Nieseln wird ein Weltuntergang. In Sekunden schüttet es wie aus Kübeln, aus kühl wird frostig. Regenjacke an und ich bin an der letzten Kontrollstelle. Hier stehen Biker unter allem, was nur ein bisschen Schutz verspricht, einer der Streckenposten macht uns Hoffnung, dass das Gewitter schnell abzieht und es trockener wird. Wird es nicht. Es wird nasser. Vernünftig wäre: aufgeben. Aber erstens: Swantje wartet in Grimentz. Zweitens: Ich habe noch nie aufgegeben und drittens habe ich mich nicht so lange gequält, um an den letzten Kilometern zu scheitern. Trotzig fahre ich durch die Zeitnahme und gehe in den legendären Anstieg zum Pas de Lona. Kurz kann ich trotz der Sturzbäche, die mir entgegenschießen fahren, dann kapituliert der RaceKing vor dem Schlamm und ich schiebe. Geht zuerst dank der Pause unten noch ganz flüssig, doch schnell kommt der Mann mit dem Hammer zurück. Ich krieche auf dem Zahnfleisch. Drei Meter Bike tragen. Stehenbleiben. Durchschnaufen. Bike drei Meter tragen. Fluchen. Stehenbleiben ... Meine Zähne klappern mittlerweile im Takt der auf mich niederprasselnden Regentropfen, wenn ich die Augen schließe sehe ich Sternchen. Irgendwann bin ich oben, torkle zur Verpflegung. Warme Brühe. Trinken. Noch eine. Zähne klappern. Es hört gar nicht mehr auf. Handschuhe aus, auswringen. Ich bekomme sie nicht mehr an, zittern zu stark. Dann doch, ich steige aufs Rad, rolle ein paar Meter, geht nicht. Friere. Da war doch eben ein Zelt? Zurück, ab ins Zelt. Drin sieht es so aus wie sich normalerweise Hollywood Kriegsdramen vorstellt: ausgemergelte, hohlwangige Gestalten, die sich gegenseitig warm rubbeln, eingehüllt in raue Wolldecken. Ich versuche mich aufzuwärmen so gut es geht, doch sobald ich einen Fuß nach draußen setze, ist es kälter als jemals zuvor. Mittlerweile ist über eine Stunde vergangen. Und zum letzten mal stellt sich mir die Frage: Steige ich jetzt in den verdammten Hubschrauber oder schaffe ich es doch noch irgendwie runter ins Ziel? Die Entscheidung fällt, als mir klar wird, dass ich mein Bike zurücklassen müsste, sollte ich hier aufgeben. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke zu, beiße die Zähne zusammen, schnappe mein Rad und rolle los. Wieder schaffe ich nur ein paar Meter, doch dieses Mal gibt es kein Zurück mehr. Laufe ich halt. Ich stolpere den Weg runter, bis ein bisschen Gefühl in die Finger zurückkehrt, springe wieder auf und lasse es rollen. Endlich die letzten Höhenmeter bergauf, ich gebe noch mal Vollgas, dennoch wird es mir nicht mehr richtig warm. Dann die finale Abfahrt. Ruppig geht es bergab, ich kann kaum den Lenker halten, bremsen fällt schwer, immer wieder halte ich kurz an, um die Finger zu wärmen. Endlich der Stausee, noch mal glitschige Felsen, Bachdurchfahrt, dann rolle ich endlich ins Zielzelt. Zitternd vor Kälte, total blau aber als Finisher. Yeah. Ich knutsche Swantje ab, ein Becher warme Brühe, dann ab unter die Dusche. Warm. Zum Glück.





Fazit: Hammer-Rennen, Hammer-Strecke. Ich werde sicher wiederkommen. Dann aber mit besserer Vorbereitung – oder auf einer der kürzeren Strecken.

Montag, 26. August 2013

Zwei-Meter-Regel Baden-Württemberg: Weg damit.

In Hessen konnten wir es verhindern, in Baden-Württemberg ist sie nach wie vor traurige Realität: die zwei Meter Regel, nach der Biker eben nur auf Wegen fahren dürfen, die mindestens diese Nennbreite haben. Leider hat auch die grün geführte Landesregierung offensichtlich eine Faible für unsinnige Regelungen und will daran nichts ändern. Zeit, endlich auch den Politikern in Baden-Württemberg zu zeigen, dass wir mehr sind als nur eine Handvoll Irrer – ab heute gibt es eine Online-Petition die ich jedem nur ans Herz legen kann. Mitmachen also:

Online-Petition Abschaffung 2-Meter-Regel

Sonntag, 25. August 2013

Grand Raid: Fast gestorben, aber angekommen.

Brutales Rennen, brutales Wetter nachdem es sehr sonnig losging. Leider zu langsam, um dem Gewitter zu entgehen. Fazit: Durchgekommen bin ich. Mit knapp 30 Minuten Pause bei La Veille (einer der Streckenposten meinte, das Gewitter hört gleich auf und dann soll es auch wieder trockener werden - haha) und gefühlten 2 Stunde Pause am Pas de Lona im Aufwärmzelt. Vorher bei der Tragepassage schon total blau gewesen, oben dann so durchgefroren, das an Weiterfahrt nicht mehr zu denken war. Im Zelt ca 100 Menschen, von denen knapp 60 mit dem Hubschrauber ausgeflogen wurden. Habe lange überlegt, ob ich auch einsteige - nachdem ich zwei mal versucht hatte loszufahren, aber mit klappernden Zähnen nach 100 Metern wieder aufgegeben hatte. Zu guter Letzt wollte ich einfach mein Bike nicht zurücklassen - bin dann doch noch runtergezittert und kam so immerhin in den Genuss des Finisher-Status. Immerhin, auch wenn die Zeit indiskutabel ist eigentlich. Aber egal, überlebt. Heute morgen: Muskelkater. Nicht in den Beinen. Im Kiefer. Vom Zähneklappern.

Donnerstag, 22. August 2013

Krank: Ohne echtes Training zum Grand Raid.

Noch zwei Tage bis zum Grand Raid. Und langsam stellt sich bei mir mehr als nur die normale Grundanspannung vor Rennen ein: Ich habe die Hosen voll. Denn auch wenn ich die letzten drei Wochen wieder zu einem halbwegs normalem Trainingsmodus zurückgefunden habe – ich weiß, dass die Strecke in meiner momentanen Verfassung eigentlich viel zu hart für mich ist. Aber kneifen? Kommt nicht in Frage. Erstens weil ich nicht alleine am Start stehen werde. Zweitens, weil ich mir schon vor Wochen geschworen habe, es durchzuziehen, komme was da wolle. Und drittens, weil ich wenigstens eine schöne Tour in den Alpen fahren will, bevor der Sommer zu Ende geht. Ob ich das Ziel sehen werde? Sicher. Notfalls an Bord des Besenkarrens ...





Sonntag, 11. August 2013

Racetime: Der Bullau Bike-Marathon.

Nach Wochen der Rennpause, zwei schweren Stürzen und fast acht Wochen ohne echtes Training habe ich mich endlich mal wieder bei einem Marathon an den Start gestellt. Sehr kurz entschlossen und nach einer hammerschweren Trainingseinheit gestern ging es heute morgen in den Odenwald - zum Bullau Bike-Marathon. Bei bestem Wetter fiel pünktlich und zum Glück zu einer sehr Langschläfer-freundlichen Uhrzeit um 9.45 Uhr der Startschuss. Ich ging es sehr verhalten an - im Nachhinein auf der Strecke ein schwerer Fehler. Denn wer verhalten startet, verpasst die schnellen Gruppen, schon nach der Einführungsrunde hätte ich mir in den Popo beißen können dafür. Noch nicht mal drei Kilometer waren hier absolviert und ich fuhr schon alleine im Wind - hinter mir eine ganzer Tross Fahrer, von denen keiner in der Lage war, mal selbst in die Führung zu gehen. Die Lutscher wurde ich zwar nach und nach los - aber weiter nach vorne ging auch nix. Ich überholte zwar ständig, aber leider nur Fahrer der vorher gestarteten Mittelstrecke. Motivationstechnisch gar nicht gut und so ließ ich es in den zweiten Runde etwas schleifen, bis ich bei der dritten Durchfahrt des Start-Ziel-Bereichs die Info bekam, dass Platz 20 noch in Schlagdistanz liegt. Activator aufschrauben, reinschütten und noch mal aufs Gas drücken - kurz vor dem Ziel konnte ich tatsächlich noch ein paar Fahrer abfangen und  landete schließlich als siebter der Altersklasse im Ziel. Mit einem besseren Start wäre sogar das Podium drin gewesen - nicht so ganz schlecht nach den zurückliegenden Horrorwochen.  Der Optimus, beim Grand Raid doch bestehen zu können, ist damit wieder etwas gestiegen. Die nächsten zwei Wochen gilt es gut zu nutzen ...




Noch ein paar Worte zum Bullau Bike-Marathon: Nette und familiäre Veranstaltung. Die Strecke hat Spaß gemacht, obwohl auf der Langstrecke viele Teile mehrmals zu befahren waren. Es gab jede Menge flowiger Trails, die wie ein CC-Parcours in den Wald gebaut waren und noch mehr sehr schnell zu fahrende Schotterautobahnen. Zwei knackige Anstiege gab es zum Glück auch, so dass nicht nur die Bolzerfraktion mit den dicken Oberschenkeln zu ihrem Recht kam. Auch das Drumherum mit Anmeldung, Duschen und Verpflegung hat gepasst - die große Ausnahme: im Festzelt durfte geraucht werden. Mir trieb es schon beim kurzen Anstehen am Bratwurststand die Tränen in die Auge - geht gar nicht.